Grosse Pause. ZEIT FÜR NEUE DINGE UND ORTE.

Mein Sabbatical oder wie man es nicht machen sollte

Einfach mal Pause machen. Die Seele baumeln lassen. Nichts tun. Das klingt herrlich, oder? Nach mehr als zwei Jahren Pendel-Beziehung habe ich meinen Job als Hörfunk-Redakteurin in Süddeutschland an den Nagel gehängt und bin zu meinem Freund in die Schweiz gezogen. Und musste feststellen: Auch ein Sabbatical braucht einen Plan.

Die ersten Wochen nach meinem Umzug in die Schweiz sind fürchterlich. Niemand ruft an und fragt, ob man vielleicht einspringen könnte. Niemand sagt einem, wie unentbehrlich man ist. Plötzlich kein Zeitdruck mehr, keine Sende-Uhr, die den Takt vorgibt. Kein Wecker, der um drei Uhr nachts klingelt. Trotzdem wacht man von alleine auf. Diese Sollbruchstelle geht erst nach Monaten weg - wenn überhaupt. Man könnte gemütlich auf der Couch sitzen und ein Buch lesen. Stattdessen tigert man rastlos durch die Wohnung und fängt an, Krümel aufzusammeln. Es braucht tatsächlich eine Weile, bevor man die Zeit, die einem plötzlich zur Verfügung steht, zu schätzen und zu nutzen weiss. Ich habe keine Weltreise geplant und will die Zeit eigentlich nutzen, herauszufinden, was ich außer Radio noch kann. Aber das ist nicht so einfach! In der Schweiz habe nicht wirklich eine Chance als Radio-Moderatorin, ich kann kein Schwyzerdütsch und der einzige Sender, bei dem Hochdeutsch gesprochen wird, sitzt in Bern. Doch statt tatsächlich etwas völlig Neues zu versuchen, hadere ich mit der Entscheidung, in Deutschland alles aufgegeben zu haben. Ich habe zwar eine Rückkehr-Option auf meinen alten Job, aber das käme in meinen Augen einer Kapitulation gleich. Also schreibe ich schließlich Bewerbungen für Stellen, für die ich mit meinem Background vielleicht in Frage kommen könnte. Und bin froh, als ich nach acht Monate wieder einen festen Job habe. Erst dann fühlte ich mich irgendwie wieder "vollwertig". Was ich daraus gelernt habe? Wie sehr wir uns über unsere Arbeit definieren. Und dass man auch eine Auszeit sinnvoll planen muss. Ich hatte keinen Plan, aber habe versucht, das Beste daraus zu machen.

 

Hier könnt Ihr sehen, was man mit zehn Monaten "Freizeit" anfangen kann. Klickt auf die Bilder, um mehr zu erfahren.


Die Frau und das Auto.

Wenn man viel Zeit hat  und unbeschäftigt wirkt, geben einem die nächsten Menschen die verrücktesten Aufgaben. Sie sagen zum Beispiel: "Du könntest Dich doch noch mal an der Universität einschreiben". Oder adäquat übergeben sie einem die Wartung und Betreuung eines alten Mercedes Geländewagen. Inzwischen kenne ich mich aus mit Relais, ich weiß, wie das Auto untenrum aussieht und dass man mit ihm selbst bei einer seitlichen Neigung von bis zu 40 Grad nicht umkippt. Theoretisch. 

Hier kannst Du übrigens sehen, wie  aus unserem G500 ein fahrbares Zuhause geworden ist.


Es ist...EIN KÄSE!

Käse selber machen, im Land der Käsemacher. Bescheuerter geht es eigentlich nicht, oder? Aber wenn man so richtig viel Zeit hat, macht man solche Sachen. Und man fängt an zu experimentieren: Taugt die Milch aus dem Supermarkt oder muss es die frische vom Bauern sein? Braucht man Lab oder tut es auch Zitronensaft? Dann Stufe zwei: Ziegen- statt Kuhmilch. Und abenteuerliche Konstruktionen, um möglichst wenig "Material" zu verschwenden. Das Ergebnis aller Varianten ist ein Mozzarella-ähnlicher Weichkäse, der furchtbar unspektakulär schmeckt. Aber wenn man ihm eine Hülle aus Salz und Kräutern verpasst und ihn mutig einige Tage reifen lässt, dann wird ein Schuh...ähm...ein Käse draus. 


Berlin, Berlin, ich fliege nach Berlin.

Reisen bildet, oder nicht? Und da ist dringend eine Berlin-Bildungslücke zu schliessen. Ich habe jede Menge freie Zeit, deshalb nutze ich die Gelegenheit und lade mich bei den Kollegen*innen im ARD-Hauptstadt-Studio als Mitläufer und Zuarbeiter ein. Bundespressekonferenz, Bundestag, Minister-Statements... alles sehr spannend! Die unsichere Rente, Böhmenmanns  Schmähgedicht und die taumelnde SPD. Ich bekomme einen guten Eindruck davon, mit was sich die Korrespondent*innen alles auseinandersetzen müssen. Dummerweise habe ich die große Brille an, als ich meinen Dienstausweis machen lasse. Danach jedes Mal Gehassel an den Sicherheits-Schleusen, wenn ich Kontaktlinsen trage. Aus dem Bürofenster der Blick auf Spree und die geschäftige Marschall-Brücke. Plötzlich ist man mittendrin im großen Politikbetrieb. Vom Rest der Hauptstadt sehe ich allerdings nur wenig während dieser sieben Tage. Ich glaube, ich muss  noch mal hin.