Es fühlt sich an, als würde ich in einem Ofen mit Umluft-Betrieb über die Autobahn fahren. Die Klima-Anlage von Herr Puch funktioniert nicht (sie funktionierte noch nie) und alle Fenster sind offen. Draußen hat es 37 Grad. Das Navi sagt, daß es noch knapp 50 Minuten bis zu meiner neuen Adresse in Zürich sind. Hinter der Grenze habe ich unsere Vermieterin angerufen, damit sie sich ebenfalls auf den Weg zur Schlüssel-Übergabe macht. Nach den fünf Stunden Fahrt durch die Gluthitze fühle ich mich völlig erledigt und bin innerlich gleichzeitig zum Bersten angespannt. "Jetzt bloß nicht in die Radarfalle fahren, sonst wird es gleich teuer", ermahne ich mich, als ich in Zürich über die Europa-Brücke Richtung Höngg rolle. Zum Glück habe ich mich rechtzeitig an den Blitzer dort erinnert. Ich kenne die Straße und sogar das Haus, in der unsere Wohnung liegt - sie ist gleich neben der unserer besten Freunde. Und trotzdem fahre ich erst einmal vorbei und muss wenden. Ich parke das Auto und drücke auf den Klingel-Knopf: Endlich angekommen!
Unbekannte Geräusche und ein Kopf voll Gedanken
Obwohl die Wohnung die fast gespiegelte Version der unserer Freunde ist, fühlt sich erst einmal alles fremd an. Dafür sehen die beigen 80er-Jahre-Küchenkacheln nicht ganz so schlimm aus, wie in dem Besichtigungs-Video, das unser Freund für uns gemacht hat. Ich habe mein Gepäck und die wenigen Möbel ausgeladen und in den leeren Räumen verteilt. Dann laufe ich wie ein kopfloses Huhn darin herum und weiß nichts mit mir anzufangen. Unsere Vermieterin hat ein rührendes Welcome-Package vorbereitet, mit allem, was man für die erste Nacht und ein ordentliches Frühstück braucht. Aber nun ist sie weg und ich fühle mich ganz schrecklich verloren. Ich bin froh, als wenig später unsere Freunde nach Hause kommen und mich zu sich herüber einladen. Als ich später im Bett liege, sind es draußen immer noch weit über 20 Grad und ich kann deshalb nicht einschlafen. Nachts wache ich vom Knacken der sich abkühlenden Holzböden auf und denke erschrocken, daß jemand durch die Wohnung schleicht. Draußen rauscht die Stadt und in meinem Kopf ein nicht enden wollender Gedankenstrom. Alles in allem keine sehr erholsame erste Nacht.
Schon ein bißchen wie zu Hause
Inzwischen sind zwei Tage vergangen. Ich habe den ersten Großeinkauf im Supermarkt hinter mir, Wände ausgemessen, mich über kaputte Lampen geärgert und heute Abend zum ersten Mal gekocht. Ich habe Freunde zum Kaffee-Trinken und anschließend zum Grillen getroffen und mit ihnen auf unser Wiedersehen und den doch noch geglückten Hausverkauf im inzwischen schon so fernen Schweden angestoßen. Ich habe meine "Hood" erkundet und bin potentielle Hunde-Runden abgegangen. Jetzt sitze ich auf der Fensterbank im Wohnzimmer und blicke - während ich schreibe - immer wieder auf das gigantische nächtliche Panorama der glitzernden Stadt. Sie ist nah und doch fern von hier oben und die Wolken sehen aus, als könnte ich sie mit der Hand berühren. Morgen stürze ich mich in die Bürokratie des Anmelde-Verfahrens und dann steht der unvermeidliche Baumarkt- und Ikea-Besuch auf dem Plan. In unserem Haus in Göteborg beginnt das Umzugsunternehmen derweil, alles einzupacken. Und wenn alles gut geht, bin ich am nächsten Wochenende wieder mit Mann, Hund und Möbeln vereint.
Eine Reise geht damit zu Ende. Eine tolle, aufregende und manchmal aufreibende Reise, die vor zwei Jahren in umgekehrter Reihenfolge begonnen hat. Nichts von dem, was ich erlebt habe, möchte ich missen. Aber jetzt möchte ich erst einmal eine Weile angekommen sein.
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Maria R (Montag, 31 August 2020 17:47)
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