"Vielleicht können wir hier ein paar Vorhänge anbringen", sagt die Home-Stylistin und schaut mich fragend an. Wir stehen in unserem bisherigen Arbeitszimmer, das sich in zusätzliches Schlafzimmer verwandeln soll. Oder zumindest in einen Raum, der als zusätzliches Schlafzimmer genutzt werden könnte. "Nein", antworte ich. "Ich möchte hier ungern Vorhänge anbringen, dann haben wir zusätzliche Bohrlöcher in der Wand". Sie öffnet den Mund, sagt aber nichts und nickt stattdessen verständnisvoll.
Die junge Frau, mit der ich durch unser Haus wandere, soll sich drei Zimmer anschauen und uns Vorschläge machen, ob und wie man diese Räume für die Hausbesichtigung und die fehlenden Fotos in der Internet-Announce herrichten könnte. Wir haben nämlich gelernt: Wer in Schweden sein Haus verkaufen will, braucht schöne Bilder. Undenkbar sind Fotos, wie man sie auf Immobilienscout24 oder anderen Internet-Plattformen findet. Fotos, die normal eingerichtete Wohnungen von normalen Menschen zeigen, in denen alltägliche Dinge herumstehen.
Normal will keiner sehen
Auf der größten Internet-Immonilien-Plattform Schwedens, Hemnet, sehen die Innenaufnahmen von Wohnungen und Häusern aus, wie Fotos aus dem Design-Katalog. Meistens jedenfalls. Auf Sesseln und Sofas sind farblich passende Decken und Kissen drapiert. In den Küchen stehen die obligatorischen Zutaten für angemessene Behaglichkeit: ein Topf mit frischen Kräutern, eine Flasche Wein oder wahlweise eine Wasserkaraffe, auf groben Schneidebrettern warten Tomaten oder Artischocken darauf, zubereitet zu werden. Alle Bilder haben einen schmeichelnden Grauschleier und wer genau hinschaut, findet in den Announcen immer wiederkehrende, typisch schwedische Design-Objekte, die zeigen, was gerade En Vogue ist. Das macht auch nicht vor den Kinderzimmern halt. Und jedes Objekt - sei es Wohnung oder Haus - mit mehr als einem Raum, verfügt selbstverständlich über ein Kinderzimmer. Gleich beim ersten Gespräch mit unserer Maklerin erfahren wir, daß es gut wäre, wenn wir unser Ankleidezimmer und das Büro für die Besichtigungen und die Hemnet-Announce so herrichten könnten, daß sich auch Familien mit Kindern angesprochen fühlen. Ich bin für einen Moment sprachlos. Als ob sich diese potentielle Käufergruppe nicht vorstellen könnte, was man aus den Zimmern im Obergeschoss alles machen kann, denke ich innerlich kopfschüttelnd.
Homestaging - Dein Zuhause ist eine Bühne
Aber es geht um die Inszenierung des perfekten Heims. Und die wird mit wenigen, dafür aber aussagekräftigen Accessoires geschaffen. So wie der Kräutertopf in der Küche, dürfen Im Kinderzimmer ein kleines Indianer-Tipi und eine bunte Wimpel-Girlande nicht fehlen. Beides scheint unglaublich wichtig zu sein, ich habe die Accessoires unzählige Male entdeckt, als wir selber nach einem Haus suchten. Ich spreche die junge Home-Stylistin darauf an. Sie lacht und nickt. "Ja, das ist so", sagt sie und mit Blick auf die karge Einrichtung unseres Ankleide-Zimmers. "Ich kann die Sachen mitbringen und noch ein paar andere Dinge." Sie erzählt, daß sie dafür extra ein kleines Lager angemietet hat, wo sie Accessoires und Möbel aufbewahrt. Und, daß der Homestyling-Markt vor allem in den Großstädten ziemlich umkämpft sei. Es tut mir ein bisschen leid, daß sie - zwar auf Vorschlag der Maklerin - extra gekommen ist, denn eigentlich weiß ich schon, daß wir ihre Dienste nicht in Anspruch nehmen werden. Als wir am gleichen Nachmittag von ihr das Angebot bekommen und wir den Preis am Ende der Auflistung sehen, steht der Entschluss endgültig fest, die Zimmer selbst herzurichten. Und so haben wir in den vergangenen Tagen Möbel verrückt, persönliche Dinge weg- und stattdessen kinderzimmertaugliche Accessoires ausgepackt. Aus dem Arbeitszimmer ist ein potentielles Jugendzimmer mit Schreibtisch und Chaiselongue geworden. In unserem Ankleidezimmer haben wir aus den Gästematratzen ein Bett gebaut, hübsch mit Überwurf und vielen Kissen und Decken dekoriert. Auf der Kommode stehen ein paar Kinderbücher, auf dem Nachttisch ein Kaleidoskop mit Schmetterlingen auf der Außenhülle. Es sieht - alles in allem - ganz ordentlich aus, auch ohne Wimpelgirlande. Wobei ich ernsthaft darüber nachdenke, ob ich noch schnell eine bastele. Fehlt nur noch das Badezimmer. Auch hier müssen alle persönlichen Dinge verschwinden, genau so wie die Klobürste und der Putzlappen in der Dusche. Aber ich glaube, das heben wir uns bis kurz vor der Besichtigung am kommenden Sonntag auf - irgendwo müssen wir ja noch leben.
Kommentar schreiben